18. Juni 2025

Topstory: Regulatorik – Fluch oder Wachstumstreiber?

Wie Vorschriften, Gesetze und Compliance-Pflichten zum Erfolgsfaktor – und zur M&A-Chance – werden.

Regulatorik hat ein Imageproblem. Oft wird sie als Innovationsbremse wahrgenommen – ein reiner Kostenfaktor, der Unternehmen lähmt. Doch das greift zu kurz. In der Realität ist sie zweierlei: Pflicht und Potenzial.

Einerseits stellt sie alle Unternehmen vor operative Herausforderungen – etwa durch ESG-Berichtspflichten, oder Datenschutz. Andererseits entstehen durch sie komplett neue Geschäftsmodelle, die gezielt Investoren ansprechen – insbesondere im M&A-Umfeld.

Zwei Perspektiven, ein Hebel

Erstens: Regulatorik betrifft jedes Unternehmen. Wer ESG-Standards nicht erfüllt, hat möglicherweise ein Reputations-Thema. Wer keine E-Rechnung nutzt, verliert ab 2025 Aufträge der öffentlichen Hand. Wer Datenschutz missachtet, riskiert Bußgelder und Rufschäden.

Zweitens: Es gibt Geschäftsmodelle, die von Regulatorik leben – digitale Lösungen für Compliance, Audit-Pflichten, Risikobewertungen oder Reporting-Standards. Diese Unternehmen profitieren von der „Pflicht zur Compliance“ – und sind deshalb bei Finanzinvestoren hoch im Kurs.

Regulatorischer Druck – unternehmerisch nutzen

Neue Vorgaben wie die EU-Taxonomie sowie die erweiterte Nachhaltigkeitsberichterstattung “CSRD” verstärken den Anpassungsdruck. Beim Lieferkettengesetz herrscht aktuell Unsicherheit: Zwar gilt es seit 2023 – doch die neue Bundesregierung, wie auch die EU-Kommission und EU -Parlament wollen es vorerst aussetzen. Fazit: Szenario Planung und technologische Flexibilität sind gefragt.

Ein Beispiel dafür liefert remberg: Das Münchner Start-up digitalisiert mit seiner Cloud-Plattform Service- und Prüfprozesse industrieller Anlagen – inklusive regulatorischer Pflichten wie Wartungszyklen, Nachweisdokumentation oder Compliance-Audits. Dafür erhält das Unternehmen 14 Millionen Euro Wachstumskapital. Regulatorik wird so zur SaaS-Chance.

Wer frühzeitig in Compliance investiert, profitiert mehrfach:

  • Weniger Deal Breaker: Dokumentierte Compliance erleichtert die Due Diligence.
  • Wertsteigerung: Saubere Strukturen und ESG-Daten bringen Bewertungsaufschläge.
  • Zugang zu Kapital: Investoren und Analysten bevorzugen “saubere Targets” mit regulatorischer Resilienz.

Geschäftsmodelle, die auf Regulatorik aufbauen

Einige Unternehmen machen Regulatorik selbst zum Geschäftsmodell – und schaffen damit hoch skalierbare Plattformen:

  • Afileon (Partners Group): Aufbau einer digitalisierten Steuer- und Rechtsplattform im Mittelstand – mit Fokus auf Fristenkontrolle und Compliance-as-a-Service.
  • BDO (EQT): Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde von EQT übernommen, um zur paneuropäischen Plattform für regulatorisch getriebene Prüf- und Beratungsleistungen zu werden.
  • cleversoft (LLCP): Automatisiertes regulatorisches Reporting für Finanzdienstleister.
  • IDnow (Corsair Capital): KYC- und AML-Lösungen als SaaS-Modell für Banken & FinTechs.
  • EQS Group (Thoma Bravo): Hinweisgeberschutz, ESG-Dokumentation und digitale Corporate Governance.

Warum investiert Private Equity gezielt in solche Modelle?

  • Regulatorik schafft dauerhaft stabile Nachfrage nach digitalen Compliance- und Reporting-Lösungen.
  • Höhere Markt-Einstiegshürden – machen den Markt für spezialisierte Anbieter stabiler und attraktiver.
  • Plattformmodelle lassen sich regional ausrollen und digital skalieren.

Tatsächlich erzielen Compliance-nahe SaaS-Unternehmen laut PitchBook aktuell Umsatzmultiples von bis zu 10x – deutlich mehr als klassische Dienstleister.

Regulatorik trifft Branchen unterschiedlich – die Vertical-Perspektive

Nicht alle Branchen sind gleich stark betroffen. Die Wirkung von Regulatorik variiert – von notwendigem Anpassungsaufwand bis hin zum strategischen Wachstumstreiber:

  • PropTech: ESG-Reporting, Energieeffizienz und Nachhaltigkeitszertifizierungen beeinflussen Bewertungen von Immobilienprojekten positiv. Anbieter von Smart Metering oder Nachhaltigkeits-Dashboards profitieren.
  • EnergyTech: CO₂-Bepreisung, Einspeiseregelungen und Förderlogiken machen Compliance zur Eintrittskarte. Wer regulatorische Prozesse digitalisiert (z. B. zur Emissionsabrechnung), ist gefragt.
  • HealthTech: Hier ist Regulatorik besonders komplex – etwa durch die elektronische Patientenakte (ePA)), Zulassung zur digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) oder Datenschutz. Wer sich durch Zertifizierungen abhebt, wird M&A-relevant.
  • FinTech: digitale Betriebslizenz (DORA), oder die geplante EU-Verordnung zur Nutzung von Finanzdaten (FIDA) prägen den Sektor. Unternehmen, die regulatorische Anforderungen digital standardisieren, sind für Banken wie Investoren systemrelevant.
  • HRTech: Neue Regeln zur Arbeitszeiterfassung, ESG-Vorgaben im Employer Reporting oder Antidiskriminierung treiben den Bedarf an automatisierten Lösungen – besonders in multinationalen Organisationen.

Politik als Weichensteller – was kommt?

Nach der Bundestagswahl 2025 rückt Regulatorik erneut in den Fokus. Zu erwarten sind:

  • Pflicht zur E-Rechnung ab 2025 für den gesamten B2B-Bereich
  • Ausweitung der ESG-Berichtspflichten auch für kleine kapitalmarktorientierte Gesellschaften (ab 2028)
  • EU-Regeln zu KI, Cybersecurity und Datenschutz
  • Strengere Vergaberichtlinien für öffentliche Aufträge (Sorgfaltspflichten)

Mit der neuen EU-Richtlinie CSRD zur Nachhaltigkeitsberichterstattung wächst der Kreis der Berichtspflichtigen in Deutschland massiv: Statt wie bisher rund 500 sind künftig etwa 15.000 Unternehmen betroffen. Das zeigt eine aktuelle Einschätzung des Digitalverbands Bitkom.

Wer sich technologisch vorbereitet, kann nicht nur effizient berichten – sondern aus Daten neue Services entwickeln.

Compliance Readiness – der stille Deal-Killer

Im M&A-Prozess wird “Compliance Readiness” auch nach den Erfahrungen unseres Partners Alexander von Voßzunehmend abgefragt:

✔ Vollständige ESG-Strategie
✔ API-fähige Reports und digitale Nachweisketten
✔ Automatisierte Prüfpfade (Audit Trail)
✔ Datenschutzdokumentation nach DSGVO
✔ Vertrags- & Lizenzübersicht für regulatorische Pflichten

Wer hier überzeugt, liefert kein Risiko – sondern Vertrauen und nachhaltiges Wachstum.

Fazit: Regulatorik bedeutet zwar Aufwand und ist auch ein Kostenblock – sie ist aber auch strategischer Werttreiber.

Unternehmen, die sie ignorieren, riskieren Rückstellungen und Reputationsschäden.
Unternehmen, die sie gestalten, schaffen neue Geschäftslogiken – und werden zum idealen Target.

Für Investoren ist Regulatorik kein Showstopper!