Top Story: Datengetriebene Geschäftsmodelle – und wie der Datenschatz selbst Branchen-Routiniers rettet
Daten sind längst mehr als ein IT-Thema – sie sind Geschäftsmodell. Unternehmen, die aus ihren Daten wirtschaftliche Mehrwerte generieren, wachsen schneller, sind widerstandsfähiger – und erzielen deutlich höhere Bewertungen am Markt. Datengetriebene Geschäftsmodelle transformieren ganze Branchen: Sie schaffen wiederkehrende Umsätze, neue Produktlogiken und eröffnen Skaleneffekte jenseits klassischer Produktionskapazitäten.
Doch wie genau verdient man eigentlich Geld mit Daten? Die Antworten sind vielfältig – und oft überraschend greifbar:
- Usage-Based Pricing: TRUMPF ermöglicht mit vernetzten Lasermaschinen eine nutzungsbasierte Abrechnung – Kunden zahlen nur, wenn sie die Maschine einsetzen.
- Predictive Services: KONE bietet über seine vernetzten Aufzüge vorausschauende Wartung an. Das reduziert Ausfallzeiten und spart Servicekosten.
- Datenverkauf & Partnerschaften: Die Deutsche Bahn stellt Bewegungsdaten anonymisiert Dritten zur Verfügung – etwa für die Verkehrsplanung in Städten.
- Smart Bundles & KI-Empfehlungen: Bei Siemens MindSphere können Industriekunden ihre Maschinendaten analysieren lassen – gegen Gebühr, als skalierbares Plattformgeschäft.
Ein junges Berliner FinTech macht es vor: Pliant zeigt eindrucksvoll, wie sich aus moderner Technologie und smartem Einsatz von Datenanalyse und Künstlicher Intelligenz ein skalierbares Geschäftsmodell entwickeln lässt. Mit ihrer Plattform zur intelligenten Steuerung von Geschäftszahlungen hat das Unternehmen Investoren überzeugt – 36 Millionen Euro Wachstumskapital fließen in den weiteren Ausbau. Ein starkes Signal für die Innovationskraft digitaler Finanzlösungen „Made in Berlin“.
Diese Modelle setzen sich zunehmend auch in klassischen Industriebranchen durch. Unternehmen wie Bosch, Schindler, Rolls-Royce (mit „Power by the hour“) oder John Deere (mit Smart-Farming-Datenservices) haben gezeigt, wie man aus einem physischen Produkt ein digitales Service-Ökosystem macht – mit Daten als Kernwert.
Vom Kostenblock zur Kapitalquelle
Viele Unternehmen erfassen seit Jahren Daten – etwa Sensorwerte, Kundenvorgänge oder Wartungsprotokolle. Doch sie nutzen sie kaum. Die Chance liegt darin, aus diesem reaktiven Datenschatz ein aktives Geschäftsmodell zu entwickeln.
Und oft braucht es nur ein kleines Stück Hardware, um den Anfang zu machen. Ein vernetzter Sensor, ein Edge-Gerät, ein IoT-Modul. Beispiel: Vaillant hat begonnen, Heizsysteme mit Sensorik auszustatten, um Fernwartung und Energieoptimierung zu ermöglichen. Der eigentliche Gewinn liegt dabei nicht in der Hardware – sondern in den Services, die damit ermöglicht werden.
In einer Welt, in der Hardware günstig aus Fernost kommt, liegt die wahre Wertschöpfung nicht im Gerät, sondern im Datenmodell, in Software und Service. Firmen, die das erkennen, bauen smarte Geschäftslogiken um kleine Geräte – und transformieren sich von Produkt- zu Plattformunternehmen.
Strategische Datenmonetarisierung: Vom Insight zum Umsatz
Der wirtschaftliche Nutzen von Daten entsteht durch klare Monetarisierungsstrategien:
- Intern: Einsparungen durch Automatisierung, Fehlerminimierung, Energieoptimierung – wie bei Heidelberg Materials, die Zementwerke datenbasiert steuern.
- Extern: Pay-per-Use bei Kaeser Kompressoren, die „Druckluft als Service“ anbieten.
- Ökosysteme: Vernetzte Services bei Bosch Smart Home oder Airbus Skywise, wo Partner auf aggregierte Flottendaten zugreifen.
Daten sind kein Nebenprodukt mehr – sie sind selbst Produkt.
Vom Altbau zum Smart Building – und zur Transaktion
Ein traditionsreiches Fertigungsunternehmen mit stagnierender Marge wurde durch gezielte Datenstrategie vom „analogen Altbau“ zum „digitalen Smart Building“. Der Clou: Nicht neue Produkte machten den Unterschied, sondern die Veredelung der eigenen Datenbasis.
Durch die Auswertung von über Jahre gesammelten Betriebsdaten entstanden digitale Services, Lizenzmodelle und datenbasierte Geschäftsprozesse – vom Energiemanagement bis zur nutzungsabhängigen Abrechnung. Innerhalb weniger Jahre wandelte sich das Geschäftsmodell grundlegend.
Diese Transformation blieb am Markt nicht unbemerkt: Ein Private-Equity-Investor erkannte das Potenzial und stieg ein – mit dem Ziel, das datenbasierte Modell international zu skalieren. Das Unternehmen wurde nicht nur überlebensfähig – es wurde strategisch wertvoll.
Daten als Hebel im M&A – und als Rettungsanker
Datenbasierte Geschäftsmodelle sind nachhaltiger, margenstärker und integrationsfähiger. Entsprechend hoch ist ihr Stellenwert im Transaktionsumfeld:
- Skalierbarkeit ohne Produktionslimit
- Geringere Abhängigkeit von Materialkosten oder Zulieferern
- Schnellere Integration durch Cloud-native Architekturen
In den USA erzielen datenstarke SaaS-Unternehmen häufig höhere Umsatzmultiples als in Europa. Während Top-Performer wie Snowflake oder Palantir zeitweise zweistellige Multiples erreichten, liegen die Bewertungen der meisten Unternehmen darunter. In Europa sind Multiples meist niedriger, doch datenreife Firmen wie Celonis oder UiPath zeigen, dass auch hier ein „data-driven premium“ möglich ist.
„Data Readiness“ – ein neuer KPI
Im M&A-Kontext wird zunehmend gefragt:
- Wie strukturiert sind die Daten?
- Gibt es eine API-Strategie?
- Wie steht es um Datenschutz & Ownership?
- Können Daten operativ UND strategisch genutzt werden?
Wer hier überzeugend antwortet, erhöht nicht nur seinen Unternehmenswert – sondern seine Zukunftsfähigkeit.
Fazit: Daten sind keine Abteilung. Sie sind Strategie.
Datengetriebene Geschäftsmodelle sind keine Spielerei für Start-ups, sondern Überlebensprinzipien für etablierte Firmen. Wer Daten richtig nutzt, kann aus bestehenden Strukturen völlig neue Wachstumspfade erschließen – und selbst totgeglaubten Branchen neues Leben einhauchen.
M&A ist dabei nicht das Ziel, sondern das Mittel, diesen Wandel zu beschleunigen.